22. Januar 2015

"Borderline - Ein Jahr mit ohne Lola" von Agneta Melzer

In gewisser Weise hatte ich tatsächlich verschlafen. Aber nicht so, wie gesunde Menschen verschlafen. Man konnte sich meinen Zustand eher wie ein tranceartiges Dahindämmern vorstellen. Ich nannte es den "komatösen Vermeidungsschlaf". Dabei war ich weder wach noch vollkommen weggetreten. SMS-Geräusche oder Telefonklingeln kamen zwar in einem Teil meines Gehirns an, hatten aber keine Auswirkung.

Die Bücher halfen mir dabei, nicht über meine Situation nachzudenken. Nachdenken, das war mir immer noch nicht möglich. Schon gar nicht mit Abstand. Rational. Ernsthaft. Ich war immer noch gefangen in der kindischen und vollkommen realitätsfernen Hoffnung, dass Joao sich irgendwann melden würde. Die Blase, die Traumwelt - eigentlich war sie nicht wirklich geplatzt, als ich nach Amerika gefahren war. Und auch nicht, als ich nach Deutschland zurückgekommen war. Sie war beschädigt worden, aber sie immer noch da. Schön war sie nicht mehr, aber eben trotzdem nicht real.

"Ich bin einfach so müde. Von mir selbst. Ich habe keine Lust mehr, so zu leben. Also nicht in dem Sinne, dass ich sterben will. Ich will leben. Nur nicht so wie jetzt gerade. Ich will... ein ganz normales Leben. Wieso kann ich das nicht haben?"
aus: "Borderline - Ein Jahr mit ohne Lola" von Agneta Melzer

288 Seiten
ISBN: 9783863651672
Verlag: Schwarzkopf & Schwarzkopf
Nach außen wirkt Lola wie ein lebensfroher Mensch. Sie geht gerne auf Partys, doch was nur wenige wissen: In anderen Momenten ist Lola schon damit überfordert, ans Telefon zu gehen oder SMS zu beantworten. Sie hat Stimmungsschwankungen und taucht immer wieder für einige Zeit ab.
Lolas beste Freundin Agneta befindet sich irgendwann an einem Punkt, an dem sie sich fragen muss, ob man mit jemandem befreundet sein kann, der in den wichtigen Momenten des Lebens einfach nicht da ist.

In "Borderline - Ein Jahr mit ohne Lola" schildert Agneta Melzer die Geschichte einer ganz besonderen Freundschaft. Einer Freundschaft, die deutlich mehr Höhen und Tiefen mit sich bringt als "normale" Freundschaften.

Durch die zwei verschiedenen Erzählperspektiven erfährt der Leser nicht nur, wie Agneta mit der psychischen Krankheit ihrer besten Freundin umgeht und zeitweise mit der Freundschaft hadert, sondern auch von Lolas Kampf mit sich selbst, ihrer inneren Zerrissenheit und der lähmenden Angst, ihre Freundin zu verlieren.

Der Untertitel "Die Geschichte einer besonderen Freundschaft" trifft es einfach perfekt! Eine Freundin wie Agneta Melzer sollte (nicht nur) jeder Borderliner haben. Ich habe mich während des Lesens oft bei dem Gedanken "So eine Freundin will ich auch!" ertappt - bis mir dann wieder einfiel, dass ich das Glück habe, gleich zwei davon zu haben ;-)

"Borderline - Ein Jahr mit ohne Lola" ist ein Buch, das ich sowohl Betroffenen als auch Angehörigen und Freunden nur ans Herz legen kann. Während durch Lolas Perspektive die Gedanken und Gefühle eines Borderliners bestens rübergebracht werden (Und ich habe mich sehr oft wiedererkannt und gedacht "Genau so ist es!"), war es für mich als Borderlinerin auch besonders interessant, Agnetas Sichtweise zu lesen, ihre Gedanken und Gefühle. Das Buch legt deutlich dar, dass es nicht nur für die psychisch kranke Person selbst anstrengend ist, mit der Persönlichkeitsstörung zu leben, sondern auch für das Umfeld - besonders das nähere - sehr schwierig ist, immer Verständnis aufzubringen und die Handlungen nachzuvollziehen

Etwas gewöhnungsbedürftig fand ich immer wieder, dass, wenn ein Kapitel aus Agnetas Sicht beendet war, Lolas Kapitel wieder an einem Zeitpunkt etwas früher begann. Das ist natürlich normal, wenn es zwei verschiedene Sichtweisen gibt und ermöglicht dann auch Geschehnisse aus beiden Perspektiven zu lesen - doch daran gewöhnen musste ich mich trotzdem erst ;-)

Ansonsten kann ich als Fazit nur sagen:
Sehr fesselndes und berührendes Buch!

Zur Webseite von Agneta Melzer

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