21. März 2014

"Bunker Diary" von Kevin Brooks

"Wenn es dich gibt und du das hier liest, bin ich wahrscheinlich tot."
300 Seiten
ISBN: 9783423422147

Verlag: dtv
Ein Bunker. Sechs Personen. Kein Entkommen.
Der 16-jährige Linus wollte nur einem Blinden helfen. Zu spät bemerkt er seinen Fehler. Als er wieder aufwacht, befindet er sich in einem Bunker. Er ist zwar der erste, bleibt aber nicht der einzige Gefangene. Die 9-jährige Jenny und vier Erwachsene folgen. Niemand weiß, wieso sie dort sind. Niemand weiß, wer sie gefangen hält. Niemand weiß, was noch passieren wird. Und vor allem weiß niemand, wer überleben wird. 


Ich bin schon seit Jahren großer Kevin-Brooks-Fan und mag alle seine Bücher. Aber "Bunker Diary" ist mit Abstand das beste Buch, das er bisher geschrieben hat! 
Kein Wunder eigentlich - lag ihm selbst doch auch diese Geschichte am meisten am Herzen. Lange wollte niemand das Buch so veröffentlichen. Ihm wurde geraten, es umzuschreiben. Doch ich bin froh, dass Kevin Brooks das nicht getan hat!

Der Bunker scheint so real, dass es schwer fällt, Abstand zu wahren und gelegentlich mal wieder zu entfliehen. Ich habe mit Linus und seinen Leidensgenossen mitgelitten. Habe mir selbst Gedanken über die Fluchtmöglichkeiten gemacht. Habe mit ihnen geweint. Aber auch mit ihnen gegrinst. Und ich habe gemeinsam mit ihnen den Täter gehasst. Den Täter, über die die Gefangenen nichts wissen. Und über den auch der Leser nichts weiß! 


Wir lesen das Tagebuch, das Linus in seiner Zeit im Bunker schreibt. Gleich am ersten Tag beginnt er. Er schreibt auf, was er denkt, was er fühlt, was passiert und auch über seine Vergangenheit erfahren wir einiges. Doch von Anfang bis Ende lesen wir nur das, was Linus schreibt - also auch nur das, was er weiß oder vermutet. Vielleicht verstärkt dies das Gefühl, sich selbst im Bunker zu befinden. Immerhin wissen wir nicht mehr als die sechs Personen, die wirklich dort sind. 

Ständig habe ich mich gefragt, was ich tun würde. Würde ich nicht den Mut verlieren und alles daran setzen, einen Ausweg zu finden? Würde ich resignieren und nur noch vor mich hin vegetieren?

In "Bunker Diary" tun sich wahre Abgründe auf. Die Abgründe der menschlichen Spezies. Das Schlimmste daran? Dass sowas wirklich passiert. Dass es wirklich Menschen gibt, die andere zum Spaß quälen. Die sie wie Haustiere halten und ihnen das Leben schwer machen. 
Ich habe mich während des Lesens ständig gefragt, was ER bezweckt?! Wieso ER gerade diese sechs Personen ausgewählt hat. Hat ER sich vorher überlegt, wen er einsperren will oder war es Zufall?

Ich war froh, dieses Buch im Rahmen einer Leserunde zu lesen, die in drei Abschnitte aufgeteilt war. So war ich "gezwungen", nach jedem Teil eine Pause zu machen, um meine Gedanken zusammenzufassen. Ich war gezwungen, den Bunker für kurze Zeit zu verlassen und konnte dem Geschehen so zeitweise entfliehen. Und obwohl ich durch eine Anmerkung des Autors, die am Anfang des Rezensionsexemplares stand, schon wusste, wie ungefähr das Buch ausgeht, hat mich das Ende geschockt und berührt. 

Kevin Brooks' Schreibstil ist so authentisch. Linus' Apathie hat im Laufe seines Tagebuches auf mich abgefärbt. Szenen, die mir viel später, Stunden nach der Lektüre, Tränen in die Augen getrieben haben, haben mich zwar auch beim Lesen berührt - aber weinen? Nein, das ging nicht. Die Hoffnungslosigkeit und die innere Leere haben sich über Linus auf mich übertragen. 

Zwischen dem Beenden des Buches und dem Rezensieren liegt fast eine Woche. Eine Woche, in der ich Zeit hatte, den Bunker wieder zu verlassen. Doch hinter mir gelassen habe ich ihn noch immer nicht. Das Buch beschäftigt mich noch immer. Die Frage: WIESO?

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